Der Online-Handel in Deutschland boomt. Städte beklagen Leerstand in den Fußgängerzonen und weigern sich vielfach, Platz für Logistikimmobilien auszuweisen. Aber das muss sich nun ändern, wenn die Branche weiter wachsen soll – die Nachfrage ist jedenfalls schon deutlich vorhanden. Wenn Städte und Logistiker geschickt agieren, bieten sich aber gleichzeitig große Chancen für Anleger und Fondsgesellschaften. Was passieren muss, damit NRWs Großstädte zukunftsfähig bleiben, lesen Sie in unserem heutigen Blog.

Logistikbranche sieht sich neuen Herausforderungen gegenüber

Der Handelsverband Deutschland meldete soeben die Umsätze des Onlinehandels hierzulande: 2013 waren es noch 32 Milliarden Euro, 2016 bereits 44,2 und die Prognose für 2017 erwartet unglaubliche 48,7 Milliarden Euro, ein Zuwachs von 38 Prozent. Die Logistikbranche steht damit an einem Punkt des Umdenkens. Denn während wir Verbraucher immer mehr im Internet bestellen, legen wir gleichzeitig immer mehr Wert auf Nachhaltigkeit, schnelle Lieferung und Lieferkomfort (beispielsweise durch Live-Tracking und genaue zeitliche Lieferankündigung). Auf der anderen Seite ist niemand von uns begeistert, wenn in der Nachbarschaft eine große Lagerhalle gebaut werden soll. Das ist unattraktiv, das senkt den Wohnwert und belastet den Verkehr, meinen die Bürger. Das bringt nicht genug Geld ein, das schafft keine Arbeitsplätze und leert unsere Innenstädte, finden die Kommunen und stellen sich quer. Aber der Realität werden sie sich auf lange Sicht nicht verweigern können, denn ein Ende des Wachstums der Branche ist nicht in Sicht.

Lagerhallen in Ballungszentren stark nachgefragt

„Wir Gewerbemakler stellen fest: Es brennt in allen Ballungsräumen. Das betrifft nicht nur die Klassiker München, Berlin und Hamburg, sondern auch uns in NRW“, erklärt Makler Hendrik Zerres vom Unternehmen J. Zerres und Sohn. Der Experte für gewerbliche Kapitalanlagen ist in ganz Nordrhein-Westfalen tätig und hat einen guten Überblick über die Branche. Die Nachfrage nach Anlageimmobilien im Logistikbereich ist sehr hoch, das Angebot niedrig, erläutert er. So bewegt sich das Kerngeschäft im Vermietungsbereich. Er sieht schon jetzt, aber besonders in den kommenden Jahren einen steigenden Bedarf an Lager- und Logistikhallen. Und die werden vor allem in Ballungszentren stark nachgefragt. Denn nur so kann die Branche dem Kunden bieten, was er verlangt: Niedrige Preise, schnellste Lieferung (etwa Overnight Express) und Umweltfreundlichkeit können mit einem einzelnen Zentrallager mitten in Deutschland einfach nicht realisiert werden. Ein relativ neues Thema ist hier außerdem die Lieferung frischer Lebensmittel. Hier fand von 2015 bis 2016 ein Umsatzwachstum von 21,2 Prozent statt – Tendenz steigend. Umso wichtiger sind natürlich kurze Wege und eine konstante Kühlkette.

Wachstum von Unternehmen scheitert an Lagerfläche

Auch die Investoren solcher Objekte suchen natürlich Standorte, die sich in 15 und 20 Jahren voraussichtlich immer noch gut neuvermieten lassen. Und so wird es in den Ballungsräumen sehr, sehr eng. Das Kernproblem: Die Städte weigern sich, neue Gewerbegebiete und hier insbesondere Flächen für die Logistik auszuweisen. Nicht selten legen Bebauungspläne Steine in den Weg, denn eine moderne Halle ist etwa zehn bis zwölf Meter hoch und damit nicht überall leicht zu realisieren. Viele Bebauungspläne von Gewerbegebieten schließen Logistik als Bauvorhaben direkt aus. Und so hinken zahlreiche Unternehmen ihrem Potenzial stark hinterher, weil sie einfach nicht genug Lagerfläche zur Verfügung haben. Der wirtschaftliche Fortschritt wird damit fast schon aktiv ausgebremst. In Mülheim etwa gibt es so gut wie keine Flächen für Logistik, in Essen sind diese auch sehr rar, berichtet Hendrik Zerres.

Lösungsansätze

Eine Lösung kann nur gefunden werden, wenn der Hebel an vielen Stellen gleichzeitig angesetzt wird. Allen voran müssen die Städte der Wirtschaft nachziehen und mehr Gewerbeflächen für Logistik in relativ zentraler Lage schaffen. Denn nur dann können wiederum die Anforderungen ihrer Einwohner erfüllt werden. Gleichzeitig müssen Wege entwickelt werden, um die ohnehin schon angespannte Verkehrssituation gerade bei uns im Ruhrgebiet nicht noch mehr als nötig zu belasten. Ein Ansatz ist beispielsweise die Nachtbelieferung von Branchen, bei denen dies möglich ist. Problematisch ist hier wieder der entstehende Bedarf von Lieferschleusen, wie sie etwa in Apotheken gängige Praxis sind – das muss baulich umgesetzt werden und kostet entsprechend Geld. Auch Paketsammelstationen für Endverbraucher stellen einen Lösungsansatz dar, denn auch diese können über Nacht beliefert werden. Für die Baubranche wäre der Königsweg, Baulücken durch Abriss von Altbestand zu nutzen. So könnte man technisch veraltete Gebäude einer neuen Zukunft zuführen. Und nicht zuletzt muss die Logistikbranche selbst neue Wege finden, ihre vorhandenen Flächen effektiver zu nutzen. Ausgehen müsste die Bewegung aber vermutlich von den Städten, nicht zuletzt durch eine schnellere und unbürokratischere Anpassung von Bebauungsplänen. Nur so kann man dauerhaft die private Infrastruktur in Einklang mit dem steigenden Anspruch der Verbraucher bringen.