WEG-Reform – was Sie jetzt wissen müssen

Besitzen Sie eine Eigentumswohnung? Dann wird sich für Sie bald eine Menge ändern – juristisch und im Alltag. Denn die bereits im Koalitionsvertrag 2017 vereinbarte Novelle des Wohnungseigentumsgesetzes (WEG) kommt in Bewegung und soll voraussichtlich ab Ende des Jahres gelten. Rechtsanwalt Michael Thomas von der Essener Kanzlei Kroheck Kroheck Thomas ist Experte für Wohnungseigentumsrecht. Er erklärt Ihnen heute klar und verständlich, was genau auf Sie zukommt – und mit welchen Auswirkungen für Sie.

Es ist ein sehr emotionales Thema, von dem Millionen von Wohnungseigentümern direkt betroffen sein werden. Wenn der Entwurf so umgesetzt wird, werden Sie als Wohnungseigentümer in weiten Bereichen ein Wohnungseigentumsrecht vorfinden, das sich von dem bisherigen deutlich unterscheidet.
Das Ziel der WEG-Reform ist es, die Schwachstellen in dem in weiten Teilen veralteten Gesetz zu beseitigen und einige zeitgemäße Änderungen vorzunehmen. Zwei Kernpunkte sind die Förderung der Elektromobilität und die Überarbeitung der Rechte und Pflichten des Verwalters. Über diese diskutiert jeder, der über die Gesetzesnovelle spricht. Doch es gibt noch weitere wichtige Neuerungen.

Bildung einer neuen Eigentümergemeinschaft

Das beginnt bereits bei der Entstehung einer Eigentümergemeinschaft. Bisher war es so, dass hier Richterrecht Anwendung fand, künftig gibt es gesetzliche Regeln. Das WEG wird dann bereits mit Anlegung der Wohnungsgrundbücher voll anwendbar sein. Die Eigentümergemeinschaft wird damit zugleich bereits rechtsfähig, auch wenn sie bis dahin nur aus einer Person besteht – nun kann die Anlage ordnungsgemäß verwaltet werden.

E-Mobilität, Barrierefreiheit, Einbruchschutz, digitale Infrastruktur

Jeder Eigentümer soll in Zukunft grundsätzlich einen Anspruch haben auf

  • den Einbau einer Ladestation für E-Autos (die Kosten dafür muss er oder sie selber tragen)
  • Barrierefreiheit
  • Einbruchschutz
  • Schaffung eines Glasfaseranschlusses bis in ihre Eigentumswohnung

Die Kehrseite der Medaille: Vermieten Sie Ihre Eigentumswohnung, so haben auch Ihre Mieter diese Ansprüche Ihnen gegenüber! Die Kosten dafür halten sich bei Maßnahmen zum Einbruchsschutz und einer Lademöglichkeit für das Elektrofahrzeug noch relativ in Grenzen. Ein barrierefreier Aus- und Umbau hingegen geht fast unweigerlich in die Tausende.

Andere bauliche Veränderungen beschließt die Eigentümergemeinschaft künftig mit einfacher Mehrheit. Somit ist zu erwarten, dass diese künftig einfacher umgesetzt werden. Aber keine Angst: Grundlegende Umgestaltungen und unbillige Benachteiligungen müssen Sie trotzdem nicht hinnehmen. Viele Eigentümer wird es auch freuen, dass die Kosten künftig nur noch diejenigen tragen sollen, welche für die Baumaßnahme gestimmt haben. Davon gibt es zwei Ausnahmen:

  1. Bringt sie allen Mitgliedern der Eigentümergemeinschaft Vorteile, z. B. durch Energieeinsparungen, zahlen alle. Ein Beispiel: Es wird eine neue, energiesparende Heizung eingebaut, so dass alle künftig weniger Nebenkosten zahlen.
  2. Die Wohnungseigentümer beschließen eine andere Kostenverteilung. Hierfür genügt eine einfache Mehrheit. Die Beschlussfähigkeit von Wohnungseigentümerversammlungen soll somit erleichtert werden.

Beschlussfähigkeit der Versammlung

Bislang musste die Hälfte der Miteigentumsanteile in den Versammlungen vertreten sein, andernfalls war eine zweite Versammlung erforderlich. In Zukunft soll es geregelt werden wie folgt: Wurde in der Einladung zur Wohnungseigentümerversammlung darauf hingewiesen, so sollen die Versammlungen auch unabhängig von der Anzahl der anwesenden Eigentümer, beziehungsweise deren Vertreter, beschlussfähig sein. Damit soll unnötiger Aufwand durch das Wiedereinberufen von Eigentümerversammlungen vermieden werden.

Was vielleicht nach einer kleineren Änderung klingt, hat für Sie höchste Bedeutung: Wohnungseigentumsgemeinschaften, die sich bisher mit dem Fassen von Beschlüssen schwer getan haben und dadurch zum Beispiel in einen Instandhaltungsrückstau geraten sind, werden von den vorgesehenen Änderung möglicherweise profitieren.

Die neue Regelung zum Beschlussquorum kann nun aber dazu führen, dass eine nur kleine Mehrheit von (aktiven) Eigentümern einen Beschluss herbeiführen und fassen kann, der sowohl inhaltlich als auch auf der Kostenseite große Auswirkungen für alle Eigentümer (auch für die passiven) haben kann. Hier sind Sie somit künftig dringend aufgefordert, Ihre Interessen durch Anwesenheit in den Versammlungen oder durch Ermächtigung von Vertretern sorgfältiger und aktiver wahrzunehmen, wenn Sie nicht „überrumpelt“ werden wollen.

Wirksamkeit angefochtener Beschlüsse

In einem Aspekt haben Sie künftig mehr Rechtsschutz: Bisher können Mehrheitsbeschlüsse zwar von unterlegenen Eigentümern angefochten werden, allerdings bleiben sie so lange wirksam, bis das Gericht sie für ungültig erklärt. Der Verwalter muss also auch dann einen Beschluss umsetzen, wenn dieser angefochten wird. Erweist sich die Anfechtung als begründet, muss der Zustand wie vor der Umsetzung der Maßnahmen auf Kosten der Eigentümer wiederhergestellt werden. Um diese Situation zu vermeiden, soll das Gericht bei Anfechtungsklagen künftig angefochtene Beschlüsse im Zuge einer einstweiligen Anordnung außer Vollzug setzen können.

Streitpunkt Verwalterbefugnisse

Einen abschließenden Katalog mit Aufgaben und Befugnisse des Verwalters gibt es nicht mehr. Stattdessen soll seine Entscheidungs- und Vertretungsbefugnis erheblich erweitert werden, der Verwalter soll eigenverantwortlich für alle Maßnahmen zuständig sein, für die keine Beschlussfassung geboten ist oder die dringlich sind. Ein Maßstab dafür ist die Größe der Anlage im Einzelfall. Die Wohnungseigentümergemeinschaft ist dabei Vertragspartner der vom Verwalter geschlossenen Verträge. Das bedeutet etwa: Der Verwalter kann eigenständig Drittunternehmen beauftragen, deren Kosten Sie tragen müssen – ohne vorherige Zustimmung!

Um Transparenz über die Vorgänge zu gewährleisten, erhält jeder Wohnungseigentümer ein Einsichtsrecht in die Verwaltungsunterlagen und damit in alle für die Verwaltung relevanten Dokumente. Ohne Verwalter sind die Wohnungseigentümer gemeinschaftliche Vertreter.

Mehr Rechtssicherheit

In einigen Bereichen werden Sie künftig mehr Rechtssicherheit haben, als dies bisher der Fall ist:

  • Verwaltungsbeirat: Die Größe des Verwaltungsbeirats bestimmen die Wohnungseigentümer selbst. Seine Mitglieder haften nur noch bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit. Anzuraten ist dennoch bei größeren Wohnungseigentümergemeinschaften grundsätzlich der Abschluss einer D&O Versicherung für den Verwaltungsbeirat.
  • Gemeinschaftsvermögen im Insolvenzverfahren: Jeder Wohnungseigentümer haftet einem Gläubiger künftig nach dem Verhältnis seines Miteigentumsanteils. Ein Insolvenzverfahren über das Gemeinschaftsvermögen bleibt daher ausgeschlossen.
  • Betriebskostenabrechnung für Mieter: Die Betriebskostenabrechnung für vermietete Eigentumswohnungen wird künftig einfacher. Statt nach der Wohnfläche erfolgt sie nach dem Miteigentumsanteil des Vermieters. Früher kam es hier oft zu Problemen, weil die Wohnfläche falsch berechnet war.

Schriftliches rund um die Eigentümerversammlung

  • Die Ladungsfrist für die Wohnungseigentümerversammlung verlängert sich auf vier Wochen. Die Einberufung durch einen dazu bestimmten Wohnungseigentümer ist möglich.
  • Außerordentliche Versammlungen können künftig in Textform, also auch per E-Mail, einberufen werden. Versammlungen sind dann unabhängig von der Teilnehmerzahl beschlussfähig.
  • Die Teilnahme ist durch Beschluss auch online möglich. Die Beschlusskompetenz kann die Gemeinschaft nicht mehr einschränken.
  • Für die Beschlussfassung genügt stets die einfache Mehrheit, also immer die Mehrheit der abgegebenen Stimmen.
  • Umlaufbeschlüsse müssen zur Vereinfachung nicht mehr handschriftlich, sondern können z. B. auch per E-Mail unterzeichnet werden. Für ins Grundbuch einzutragende Beschlüsse genügt eine entsprechende Niederschrift. Darauf müssen nur die Unterschriften vom Vorsitzenden der Eigentümerversammlung und einem Wohnungseigentümer und, falls ein Verwaltungsbeirat bestellt ist, auch von dessen Vorsitzenden oder seinem Vertreter öffentlich beglaubigt sein. Niederschriften sind unverzüglich nach der Versammlung zu erstellen. Beschlüsse, die Vereinbarungen wie die Teilungserklärung aufgrund einer vereinbarten Öffnungsklausel ändern, sind ins Grundbuch einzutragen. Zwingend einzutragen sind Veräußerungsbeschränkungen und die Haftung von Sondernachfolgern für Geldschulden. Erwerber sollen Risiken dadurch besser erkennen können als in der mitunter unübersichtlichen Beschlusssammlung. Bei gesetzlichen Öffnungsklauseln müssen sie sich dagegen aktiv danach erkundigen.

Neue Regelungen zum Sondereigentum

Stellplätze gelten künftig  fiktiv als Räume und zählen damit zum Sondereigentum. Zum Sondereigentum erklären lassen sich im Aufteilungsplan auch weitere außerhalb des Gebäudes liegende Grundstücksflächen, z. B. Terrassen. Die Wohnung muss jedoch wirtschaftliche Hauptsache bleiben. Statt der Aufteilung zwischen Mitgebrauch und übrigen Nutzungen gibt es nur noch Nutzungen des gemeinschaftlichen Eigentums nach § 100 BGB.

Gemeinschaftsordnung erhält mehr Kraft

Pflichten der Wohnungseigentümer ergeben sich aus dem WEG, ihren Vereinbarungen und Beschlüssen. Für Verstöße gegen die Gemeinschaftsordnung können die Wohnungseigentümer künftig Vertragsstrafen beschließen.

Gerichtbarkeit

Zuständig für einen Rechtsstreit der Wohnungseigentümer, bzw. deren Gemeinschaft ist weiterhin ausschließlich das Gericht, an dessen Ort das Grundstück belegen ist. Dritte können dort gegen die Gemeinschaft klagen, müssen es aber nicht.

Kritik an dem geplanten Gesetz

Das Kabinett hatte den Gesetzesentwurf bereits während des Lockdowns beschlossen und eigentlich geplant, das reformierte Regelwerk noch vor der Sommerpause des Bundestags zu verabschieden.

Allerdings gibt es nun erhebliche Kritik seitens der Eigentümerverbände, aber auch vom Deutschen Anwaltverein, die das Gesetzesvorhaben verzögert und möglicherweise  noch zu Änderungen führen wird. Bemängelt wird vor allem, dass Immobilien-Verwalter künftig stark erweiterte Handlungsvollmacht nach außen erhalten sollen. Sie sollen in einigen Bereichen eigenständig, also ohne Beschluss der Eigentümer entscheiden dürfen und somit auch Aufträge an Dritte ohne Genehmigung der zahlenden Eigentümer vergeben können.

Auch Rechtsanwalt Thomas findet: Einer derart umfassenden Erweiterung der Vertretungsbefugnis des Verwalters sollte aus Sicht der Eigentümer zumindest eine effektive Kontrollmöglichkeit durch die Wohnungseigentümer im neuen Regelwerk entgegengesetzt werden, um einem etwaigen Missbrauch der Befugnisse vorbeugen zu können. Denn eines muss weiterhin klar sein: Der Verwalter ist Treuhänder des gemeinschaftlichen Eigentums, Eingriffe in die Befugnisse der Eigentümer sollten daher auf ein Minimum reduziert werden, auch wenn es im Einzelfall sicher praktisch ist, wenn eine starke Person handlungsfähig ist. Eigentum ist aber ein hohes Gut in unserer Rechtsordnung, so dass eine weitere Abwägung im Gesetzesvorhaben geboten ist. In diesem Zusammenhang ist auch zu erwähnen, dass das Gesetzesvorhaben in der bisherigen Form, eine gerichtliche Kostentscheidung zu Lasten des Verwalter gemäß § 49 Abs. WEG bei groben Verschulden des Verwalters nicht mehr vorsieht, was im Zusammenhang mit der vorgesehenen Erweiterung der Befugnisse des Verwalters sicher keine gute Idee des Gesetzgebers  ist, da hierdurch die bisherige Sanktion bei groben Verschulden nicht mehr existiert, die bisher aber auch einen wichtigen Beitrag zur Vermeidung grober Fehler geleistet hat.

Wenn Sie weitere Informationen oder juristischen Rat brauchen, hilft Ihnen Rechtsanwalt Michael Thomas von Kroheck Kroheck Thomas gern weiter – oder wenden Sie sich an die Immopro.meo / Grundstücksbörse Ruhr!

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